Donnerstag, 23. Mai 2013

Positionspapier von ARD und ZDF zur Sicherung von Netzneutralität

Positionspapier von ARD und ZDF zur Sicherung von Netzneutralität durch ein offenes Internet und zur Notwendigkeit regulatorischer Maßnahmen

1. Das offene Internet ist von zunehmender Bedeutung für die Verbreitung von Rundfunk sowie audiovisuellen Inhalten. Diese Offenheit ist auch ein wichtiges Element für Zugangsmöglichkeiten zu neuen Inhalten sowie neuen Kommunikationsformen außerhalb der klassischen Verbreitungsplattformen. Die Bedeutung der Offenheit wird noch weiter zunehmen angesichts der ansteigenden
non-linearen Nutzung von Mediatheken, Online-Videoplattformen sowie Marktdurchdringung hybrider mit dem Internet verbundener Rundfunkendgeräte.


2. Die Offenheit des Internet ist darüber hinaus eine wichtige Vorbedingung für die Sicherung von Vielfalt und Pluralismus. Hierdurch wird kommunikative Chancengleichheit sichergestellt, die ein wichtiges Element der auch verfassungsrechtlich geschützten Kommunikationsfreiheit über das Internet ist. Aus Sicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist zudem essenziell, dass die Rundfunkgebührenzahler über das Internet einen gesicherten Zugang zu den aus Rundfunkgebührenmitteln finanzierten und dort verbreiteten Inhalten haben.


3. Auch wenn nach Auffassung von ARD und ZDF aktuelle Einschränkungen der Meinungsvielfalt und des Pluralismus noch nicht feststellbar sind, besteht gleichwohl bereits schon jetzt die Notwendigkeit regulatorischer Vorkehrungen die sicherstellen, dass es auch in Zukunft zu keinen Wettbewerbsverzerrungen oder -behinderungen bzw. zu ungerechtfertigten oder unangemessenen Priorisierungen von Inhalten kommt.
4. ARD und ZDF stellen fest, dass ihrerseits durch vertragliche Vereinbarungen mit Netzbetreibern eine nicht-diskriminierende Durchleitung eigener Inhalte nicht sichergestellt werden kann. Dies ergibt sich vor allem aus der Struktur des Internet sowie der Transportwege von Inhalten. Inhalteanbieter schließen Verträge nur mit sogenannten Content Delivery Network-Providern, also nur auf der Ebene des Anfangssegments der Streaming- und Cachingserver durch den CDN-Provider. Nur hier lassen sich bestimmte vertraglich vereinbarte Parameter in offenen Netzen sicherstellen. Für die Ausliefung zum Teilnehmer im Endsegment ist dies jedoch nicht der Fall. Darüber hinaus wird das Zwischensegment der Netzknoten durch Peering-Verträge und -Abkommen zwischen den einzelnen Carriern bestimmt. Die Einzelheiten dieser vertraglichen Vereinbarungen werden jedoch nicht offen gelegt. Sie sind nicht transparent.
5. ARD und ZDF sehen das Gefährdungspotenzial für die Offenheit des Internet und damit auch für die Netzneutralität vor allem in der Tatsache begründet, dass es zu einer intransparenten und nicht gerechtfertigten Verlangsamung oder Behinderung des Datenverkehrs durch die Priorisierung bestimmter Inhalte als Konsequenz von entsprechenden bzw. auf Knappheit basierenden Geschäftsmodellen kommen kann. Bereits heute vermarkten Netzbetreiber IPTV als sog. „Managed Services“. In diesem Zusammenhang wird eine künstliche Verknappung der Kapazitäten dadurch erzielt, dass bestimmte technische Übertragungsprotokolle (z. B. IP-Multicast) nur im Bereich der Managed Services, nicht aber im offenen Internet unterstützt werden. Das führt dazu, dass beispielsweise Live-Streams parallel ausgespielt werden müssen und so der offene Bereich des Internet in vermeidbarer Weise „verstopft“ wird.
Schon heute tragen die Inhalteanbieter neben den Kosten für die Bereitstellung des Angebots im Internet, im Rahmen von Verträgen mit Streamingprovidern auch die Kosten für den Transport in das Netz, abhängig von der vereinbarten Qualität und Schnelligkeit. Eine darüber hinausgehende Priorisierung, beispielsweise nach Zahlungsbereitschaft der Inhalteanbieter, würde zu Wettbewerbsverzerrungen führen, da dann finanzstarke oder verhandlungsmächtige Anbieter Vorteile gegenüber kleineren oder unabhängigen Anbietern hätten. Auch die Endkunden würden nicht mehr alle Angebote zu vergleichbaren oder gleichen Bedingungen bekommen. Damit aber würde das grundsätzlich auf dem Best Effort-Prinzip basierende offene Internet gefährdet und das bisher bestehende Gleichgewicht zwischen diesem und dem geschlossenen Internet in Form von „managed services“ oder Plattformen nachhaltig verändert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber gerade in solchen Fallkonstellationen als aufgefordert angesehen, Vorkehrungen zum Schutze publizistischer Vielfalt zu treffen und darauf hingewiesen, dass einmal eingetretene Fehlentwicklungen - wenn überhaupt – sich nur bedingt und nur unter erheblichen Schwierigkeiten rückgängig machen lassen (BVerfGE 57,295 (323;73, 118(160); 95,163(173)), 119,181(217)).
6. Da Gefährdungen der Netzneutralität sowohl auf der telekommunikationsrechtlichen Ebene als auch auf der Ebene der Inhalteregulierung entstehen können, sind nach Ansicht von ARD und ZDF sowohl der Bundesgesetzgeber als auch die Landesgesetzgeber legislatorisch gefordert. Die bislang vorgesehenen Regelungen zur Sicherung von Netzneutralität im Rahmen der vorgesehenen Novellierung des TKG sind aus Sicht von ARD und ZDF nicht hinreichend und bleiben hinter den Vorgaben des revidierten EU-Regulierungsrahmens für elektronische Kommunikation zurück. Sie sehen bloße Informations- und Transparenzpflichten vor.
Da negative Entwicklungen nur schwer oder gar nicht rückgängig gemacht werden können, schlagen ARD und ZDF eine Regelung vor, nach der der Transport von Telemedien-, Rundfunk- und Telekommunikationsdiensten grundsätzlich diskriminierungsfrei zu erfolgen hat, soweit nicht die Interessen der Allgemeinheit oder der Schutz wichtiger Rechtsgüter berührt werden. Diese Regelungen sollten
grundsätzlich sowohl für Festnetze wie auch für mobile Netze gelten. Es sollte des weiteren festgelegt werden, dass Telemedien-, Rundfunk- und Telekommunikationsdienste durch Plattformanbieter/Telekommunikationsnetzbetreiber nicht inhaltlich oder technisch verändert werden dürfen. Eine verbotene technische Veränderung sollte in diesem Zusammenhang bereits dann vorliegen, wenn der Transport blockiert oder verlangsamt wird. Entsprechende Vorgaben sollten durch Rechtsverordnung gemäß § 45n und § 45 o TKG-E festgelegt werden, die der Zustimmung der Länder bedarf. Die Darlegungs- und Beweislast u.a. für die Einhaltung der Mindestanforderungen an die Dienstequalität muss jeweils bei den Netzbetreibern liegen.
Hierzu bedarf es aus Sicht von ARD und ZDF einer Ergänzung der Regulierungsziele im TKG im Hinblick auf die Sicherung der Netzneutralität, die bereits in der ersten Fassung des TKG-Referentenentwurfs teilweise angelegt war, sich aber in der vom Kabinett am 02.03.2011 beschlossenen Fassung nicht mehr findet. ARD und ZDF sprechen sich daher für eine Verankerung des Prinzips der Sicherung der Netzneutralität sowohl im Hinblick auf die Endnutzer als auch der Inhalteanbieter durch eine entsprechende Erweiterung der Regulierungsziele des TKG aus (Anlage).
Da das TKG jedoch nicht die inhalts- sowie vielfaltsbezogenen Gefährdungspotenziale hinsichtlich der Sicherstellung von Netzneutralität abdeckt, bedarf es auch einer Ergänzung der Inhalteregulierung, die diesem Aspekt Rechnung trägt. Hier sind die Landesgesetzgeber gefordert. Die Regulierung könnte an die bereits bestehenden Vorschriften in §§ 52, 52a Rundfunkstaatsvertrag zur Plattformregulierung und für Plattformbetreiber ansetzen und diese durch eine Ergänzung der Legaldefinition des Plattformbetreibers in § 2 Abs. 2 Ziffer 13 RStV erweitern, da in § 52 a Abs. 3 RStV bereits die entsprechenden Vorgaben im Sinne eines inhaltlichen und technischen Veränderungsverbots enthalten sind.
Anlage
Ergänzungsvorschlag von ARD und ZDF Regulierung und Ziele
§ 2 TKG-E-(neu)
(1) Die Regulierung ist eine hoheitliche Aufgabe des Bundes.
(2) Ziele der Regulierung sind:
1. Die Wahrung der Nutzerinteressen auf dem Gebiet der
Telekommunikation, insbesondere die Wahrung des Fernmeldegeheimnisses.
Die Endnutzer sind in die Lage zu versetzen, Informationen abzurufen und zu verbreiten sowie beliebige Anwendungen und Dienste zu benutzen.
2. die Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs, auch in der Fläche, auf den Märkten der Telekommunikation,
2a. Ausschluss von Diskriminierung oder Wettbewerbsbeschränkungen , durch Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs über öffentliche Netze im Bereich der elektronischen Kommunikation, einschließlich der Bereitstellung von Inhalten,
(...)

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