Sonntag, 23. Dezember 2018

#Piraten Haushaltsrede 2019 Teil 2: Christian Bley

Die folgende Abschlussrede hielt der finanzpolitische Sprecher der FRAKTION P² (Die PARTEI | PIRATEN) Christian Bley (PIRATEN) anlässlich der Haushaltsberatungen 2019 im Rat der Stadt Braunschweig am 18.12.2018

Meine Damen und Herren,

zu Beginn möchte ich mein Wort richten, an alle, die an diesem fast 1800 Seiten fassenden Werk purer Zahlenerotik mitgearbeitet haben! Sie haben monatelang:

             -Zahlenkolonnen hin- und her geschoben
             -Tabellen ausgewertet
             -Konten geführt
             -sich den Kopf zerbrochen
             -Anfragen beantwortet
             -Änderungen eingearbeitet
             -und Vieles Mehr!
             Dafür danke ich Ihnen!

Was im Haushalt alles drin steht und in welcher Situation wir uns befinden, haben Oberbürgermeister Markurth und Herr Geiger uns ja vorhin schon in epischer Breite erzählt, deswegen werde ich darauf in meiner Rede auch nicht all zu sehr eingehen.

Nur soviel

Wir müssen ans Ersparte ran – sprich unsere Rücklagen aus den fetten Jahren. Aus den Jahren, in denen wir unser Tafelsilber verkauft haben. Aus den Jahren, in denen wir vielleicht nicht so in unsere Infrastruktur investiert haben, wie es notwendig gewesen wäre.

Statt dessen möchte ich mich der Frage zuwenden, was passieren würde, wenn wir dem Haushalt heute nicht zustimmen würden..? Wenn sich keine Mehrheit für den Haushalt findet? Außer, dass der SPD das Herz in die Hose rutschen würde, was würde das für Braunschweig und die Menschen bedeuten, die hier leben oder arbeiten?

Und nun?

Diese Stadtverwaltung und der Rat würden zwar nicht obdachlos – aber andere bleiben es dann vielleicht noch viel länger. Alle freiwilligen Leistungen, die sich die Stadt selbst auferlegt hat, fielen hinten rüber – egal, für wie notwendig und dringend wir sie hier erachten. Dazu gehören eben auch finanzielle Mittel, die in soziale, kulturelle und sportliche Aufgaben fließen. Mittel, die das Ehrenamt und gesellschaftliche Engagement und damit den Zusammenhalt der Stadt fördern.
Sie sind der Kitt der Stadt.

Wenn dieser Haushalt keine Mehrheit bekommt, bedeutet das für viele mindestens ein Jahr Unsicherheit plus entstehender Langzeitfolgen: Wegbrechende Arbeitsplätze und die dadurch liegenbleibende Arbeit – Arbeit, die Braunschweig zu einer lebens- und liebenswerten Stadt macht, egal für welche Einkommensgruppe.

Denn die Freiwilligen Leistungen halten diese Stadt nicht nur zusammen, sie geben ihr auch ein Gesicht: Lassen Sie mich hierzu meine Rats-Kollegin Gabelmann aus Leipzig zitieren:
„Man muss als Kommune ein bisschen mehr als das Mindestmaß machen, denn nur die nicht-pflichtigen Aufgaben führen dazu, dass man als Stadt
ein Gesicht bekommt, sich der Charakter der Stadt schärft, man sich von anderen Städten abgrenzt. [..] In einer wachsenden Stadt mit immer
weniger Freiräumen ist das nicht nur mittel wichtig, sondern richtig wichtig.“

Wie?

Aber wie schaffen wir es trotz der gegenwärtigen Haushaltssituation das Gesicht zu wahren? Klar könnten wir die freiwilligen Ausgaben rigoros streichen, aber mit welchem Schaden? Mit welchem langfristigen Verlust? Und wer übernimmt dann diese gestrichenen, aber notwendigen Tätigkeiten? Wieder Menschen, die im Ehrenamt tätig sind? Das darf nicht die Lösung sein! Die Stadt Braunschweig steht hier in der Verantwortung, und es gibt dabei keinen wirklich großen Spielraum, kein zusätzliches Bolchen, was wir mal eben so streichen könnten, weil es ein Nice-to-have ist. Es ist ähnlich wie bei der derzeitigen Flughafen-Diskussion: Nimmt man nur die reinen Kosten, die durch ihn verursacht werden, sieht es nicht wirklich gut aus. Würde man aber die Synergieeffekte anschauen und finanziell bemessen, wäre die Bilanz alles andere als negativ – positive nämlich.
An dieser Stelle zu sparen schadet also eher, als das es nützt. Doch wo dann sparen? Und ist Sparen überhaupt die richtige Antwort auf die aktuelle Lage?

Sparen vs. Investieren?

Während die einen noch investieren wollen, um zukünftig größere Schäden zu verhindern – wollen die anderen schon längst gespart haben, weil sie Angst vor höheren Schulden haben. Angst ist jedoch bekanntlich ein schlechter Ratgeber. Was daher in keinem Fall funktionieren wird ist das Rasenmähersparen. Also das Sparen mehr so fürs Gefühl. Für das Gefühl, was getan/erreicht zu haben, weil eine Zahl nun etwas kleiner oder größer ist als vorher. Was dabei auf der Strecke bleibt ist der Mensch, der hinter den Zahlen steckt. Der am Ende vielleicht seine Stelle verliert.

Klar können wir jetzt überall pauschal x% streichen – die Erfahrung zeigt allerdings, dass das völliger Schwachfug ist – blinder Aktionismus. Eben mal schnell willkürliche Streichungen machen mehr kaputt, als durch sie gespart werden.

Klarheit

Eines ist doch klar, meine Damen und Herren:
Eine richtige Sparsamkeit vergisst nie, dass nicht immer gespart werden kann; wer immer sparen will, der ist verloren, auch moralisch. Das sagte schon Theodor Fontane. Aber wie senken wir denn dann unser Strukturelles Defizit? Ich hatte es letztes Jahr schon gesagt: Strukturen schaffen.

Die Zielvorgabe ist die Konsolidierung und damit die Vermeidung einer Haushaltssicherung in den nächsten Jahren. Mit unserer Haushalts-Entscheidung geht es also nicht nur um ein Haushaltsjahr – es geht um viel mehr. Wir verschaffen uns Zeit, um strukturiert zu evaluieren, wo wir Einsparungspotential mit welchen Konsequenzen haben. Auf Fakten basierend und nicht pauschal mit einem Rasenmäher.

Zeit

Er verschafft uns Zeit, herauszubekommen, ob die Standards der Pflichtaufgaben in Braunschweig eventuell zu hoch sind, welche Einnahmequellen ungenutzt sind und/oder ob es Möglichkeiten zur Effektivitätssteigerung in der Verwaltung gibt. Wir wollen keinen harten, ungeordneten Ausstieg aus dem Haushalt – wir wollen eine geordnete Konsolidierung, die alle beteiligt, die sie mittragen – ob freiwillig oder unfreiwillig. Dazu verschafft uns dieser Haushalt und die Eingangs erwähnten Rücklagen die notwendige Zeit.

Weg

Wir sind bereits auf dem Weg. Der einzuschlagende Kurs ist also klar, wurde bereits gesetzt und nach außen kommuniziert. Vielleicht erinnern Sie sich an IKVS für die Interkommunalen Leistungsvergleiche – das ist ein Teil des Kurses und wurde bereits auf den Weg gebracht. Auch dazu gehört die Einführung eines Dokumenten Management Systems. Ein Punkt übrigens, in dem ich persönlich gerne möglichst schnell Fortschritte sehen würde. Wie schrieb es die Verwaltung so schön? „Durch die Einführung eines DMS werden sich mittelfristig betrachtet Effekte ergeben, die zu einer„Modernisierungsrendite“ führen.“ Also was müssen wir neben all den genannten Dingen beachten, damit die Konsolidierung gelingt?

Transparenz

Nur Transparenz und Teilhabe werden Akzeptanz schaffen – wenn auch nicht bei jedem. Und Akzeptanz schafft man nicht, in dem man hinter verschlossenen Türen verhandelt. Vertrauen schafft man so übrigens auch nicht. Und die Braunschweiger einfach vor vollendete Tatsachen zu stellen, wird auch nicht zur Akzeptanz von Einsparmassnahmen beitragen. Ein Haushalt und seine Konsolidierung – verständlich erklärt – kann aber seinen Beitrag leisten für mehr Nachvollziehbarkeit, die Erkenntnis und die Bereitschaft zum Sparen.

Mitbestimmung

Und was ist mit Teilhabe am Konsolidierungsprozess? Die Fragen, die uns beschäftigen lauten: Wie werden wir die notwendige Einigkeit dabei herstellen können, wo wie viel gespart oder anders investiert wird? Einigkeit zwischen den Fraktionen, der Verwaltung und den Menschen dieser Stadt? Wo werden wir alle gemeinsam darüber beraten, ob oder was gestrichen wird, wo es etwas weniger geben wird und welche Konsequenzen das für den sozialen Frieden bedeuten kann?

Akzeptanz

Das ist nämlich etwas, was diese Stadt stärker beeinflussen wird, als Eintracht in der dritten Liga oder Karneval in Braunschweig. Es betrifft nämlich jeden Einzelnen/alle Bevölkerungsgruppen – von daher müssen auch alle in solch ein Projekt mit dieser Tragweite eingebunden werden. Ob wir das hier mit Einwohnerkonferenzen oder Umfragen machen – wichtig ist, DASS wir sie mitnehmen, die Menschen dieser Stadt daran teilhaben lassen – denn ohne den Rückhalt aus der Bevölkerung schaffen wir das nicht geordnet.

Wie gut, dass uns zur Vorbereitung noch etwas Zeit bleibt – Zeit, die wir auch durch unsere Zustimmung zum Haushalt gewinnen.
Vielen Dank meine Damen und Herren.

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