Freitag, 21. Dezember 2018

Antrag der Gruppe LINKE & #PIRATEN und der Fraktion Die FAKTION zur Ablehnung des geplanten Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes

Antrag
zu beschließen:

1. Der Rat der Landeshauptstadt Hannover lehnt das gemäß Landtagsdrucksache 18/850 vom 8. Mai 2018 geplante "Niedersächsische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG)" ab.

2. Der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover wird aufgefordert, sich gegenüber Landesregierung und Landtag dafür einzusetzen, dass ein NPOG in der vorgesehenen Form für das Land Niedersachsen nicht beschlossen und umgesetzt wird.

Begründung

Der vorliegende Entwurf des NPOG enthält zahlreiche neue Regelungen, die – sollte der Landtag es beschließen und das Gesetz Anwendung finden – schwerwiegende Eingriffe in die Bürger-, Grund-, und Menschenrechte unseres Bundeslandes ermöglichen. 

In Bayern wurde bereits ein neues Polizeigesetz beschlossen, in anderen Bundesländern werden ähnliche Gesetzesverschärfungen gerade vorbereitet. Das Innenministerium plant auf Bundesebene ein „Musterpolizeigesetz", das sich an dem Polizeiaufgabengesetz in Bayern orientieren soll – an einem Gesetz, das nach Einschätzung vieler Rechtswissenschaftler*innen und Bürgerrechtler*innen die massivsten Grundrechtseingriffe seit 1945 ermöglicht.

In diese Reihe von Gesetzesverschärfungen reiht sich nun auch Niedersachsen mit einem Gesetzesvorhaben ein. Geplant ist die Verabschiedung eines umfassend novellierten niedersächsischen Polizeigesetzes, das künftig den Namen „Niedersächsisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz“ – kurz: „NPOG“ – tragen soll. Die Polizei erhielte durch die Novellierung deutlich mehr Befugnisse, Verdächtige bzw. sogenannte „Gefährder” selbständig zu definieren, sie zu überwachen und festzuhalten. Damit wird u. a. eine bedenkliche Machtverschiebung innerhalb der Gewaltenteilung befördert. Die Polizei würde dank des neuen Gesetzes mit zahlreichen neuen Instrumenten ausgestattet werden, die schwerste Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen/Bürger/Verdächtigen legalisieren.

Befürworter behaupten, die vorgesehenen Gesetzesverschärfungen würden der Terrorabwehr und somit der Sicherheit der gesamten Bevölkerung dienen. Aber sind die geplanten Maßnahmen tatsächlich geeignet für mehr Sicherheit zu sorgen, indem sie die Freiheit einschränken? Und richten sich die Maßnahmen, wie von Innenminister Pistorius versichert, in erster Linie gegen Terroristen, respektive „Gefährder”, oder geraten künftig auch unbescholtene Bürger und/oder politische Aktivist*innen vermehrt ins Visier der Polizeibehörden? Die Landesregierung gibt hierzu keine konkreten Antworten, sondern versichert zum Beispiel lediglich, dass der gemeine Bürger schon nicht mit „Gefährder” gemeint sei. Daher ist es notwendig, die Novellierung in der vorliegenden Fassung nicht zu unterstützen, der Kritik im Namen der Landeshauptstadt Hannover eine gewichtige Stimme zu verleihen und die geplanten Einschränkungen unserer Grundrechte zu verhindern.
Ein paar Beispiele aus der Novellierung:

Überwachung:

· Die Videoüberwachung von Gefangenen wird nicht nur eingeführt, sondern deren Begründungskatalog inhaltlich wesentlich erweitert. Hinsichtlich der Persönlichkeitsrechte ist dieser Vorgang höchst fragwürdig.
(§ 20 Abs. 4)
· Erleichterung der Bedingungen, unter denen eine Telekommunikationsüberwachung (Abhören von Telefon, Abfangen von E-Mails, Mitlesen und -hören von Chats und Messenger-Nachrichten) zulässig sein soll.
(§ 33a Abs. 1)
· Erleichterungen der Bedingungen, unter denen der “große Lauschangriff” in Wohnungen (Abhören mittels Wanzen & Co.) zulässig sein soll. (§ 35a Abs. 1)
· Deutliche Reduzierung der Bedingungen, unter denen die Polizei Aufzeichnungen privat oder gewerblich betriebener Videoüberwachungskameras die Herausgabe der Aufnahmen erzwingen kann. (§ 32a Abs. 1)


V-Leute:
· Einführung einer Ausschlussklausel, nach der der Einsatz von verdeckt agierenden Polizeibeamten unter bestimmten (möglicherweise dehnbaren Bedingungen) nicht mehr durch Richter*innen genehmigt werden muss. (§ 36 Abs. 2)
· Streichung der Klausel, wonach Menschen, die bereits bekundet haben, aus einer kriminellen Szene aussteigen zu wollen und ein entsprechendes Ausstiegsangebot der Behörden angenommen haben, grundsätzlich nicht mehr als V-Leute angeworben oder eingesetzt werden dürfen. (§ 36 Abs. 5)
· Einführung der neuen Erlaubnis für die Polizei, V-Leute im Einzelfall sogar ohne (vorherige) richterliche Genehmigung einsetzen zu dürfen. (§ 36a Abs. 4)

U-Haft:
· Der Zeitraum richterlich begründeter Untersuchungshaft für „unbestimmte” Fälle wird von vier auf sechs Tage erhöht. (§ 21)

Sonstiges:
· Die zulässigen Anwendungsfälle zum Einsatz der elektronischen Fußfessel werden ausgeweitet, aber der Passus, dass die erfassten persönlichen Daten gegen unbefugte Kenntnisnahme besonders zu sichern sind, gestrichen. (§ 17c Abs. 1)
· Es soll künftig nicht mehr festgehalten werden, ob Rasterfahndungen zu einem Ergebnis geführt haben oder nicht. (§ 48 Abs. 1)
· Der Einsatz von Tasern (Elektroschocker-Pistolen, im Behördendeutsch verniedlichend als „Elektroimpulsgerät“ bezeichnet) wird nicht nur ausdrücklich erlaubt, Taser sollen sogar durch eine Neuordnung der Reihenfolge polizeilicher Waffen als erstes einzusetzendes Mittel noch vor dem Schlagstock definiert werden. (§ 69 Abs. 4)



Brigitte Falke Julian Klippert
stellv. Gruppenvorsitzende Fraktionsvorsitzender

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