Landeshauptstadt
Hannover
Antwort
15-0128/2018 F1
An
den Stadtbezirksrat Ricklingen (zur Kenntnis)
Zu
Top 6.4.1.
Antwort
der Verwaltung auf die
Anfrage
Einsatz von glyphosathaltigen Herbiziden durch die Deutsche Bahn AG
auf der Gleisstrecke im Stadtbezirk Ricklingen
Sitzung
des Stadtbezirksrates Ricklingen am 01.02.2018
TOP
6.4.1.
65,4
Tonnen Glyphosat hat die Deutsche Bahn AG (DB) im Jahr 2017
verbraucht und ist damit mutmaßlich größter Einzelabnehmer des
umstrittenen Unkraut-Vernichtungsmittels in Deutschland. Es werde zur
„chemischen Vegetationskontrolle“ auf dem Schienennetz
ausgebracht, heißt es aktuell in einer Antwort der Bundesregierung
auf eine Anfrage im Deutschen Bundestag.
Knapp
34.000 Kilometer umfasst das DB-Schienennetz. Die von der Bahn
ausgebrachte Glyphosatmenge entspricht somit durchschnittlich fast 2
Kilogramm je Kilometer Gleisstrecke. Eine Eisenbahnstrecke führt
direkt durch das innerstädtische Naherholungsgebiet „Ricklinger
Kiesteiche“ mit den EU-registrierten Badegewässern. Die
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food
Safety Authority - EFSA) hat 0,5 mg/kg/Tag als maximal verträgliche
Dosis (acute reference dose) bei Menschen ermittelt. Wissenschaftlich
umstritten ist, wie stark der menschliche Körper Glyphosat nach den
unterschiedlichen Darreichungsformen (z.B. Inhalation, Hautkontakt
oder durch das Grundwasser) resorbiert. Es ist daher (noch) nicht
möglich eindeutig zu bestimmen, wie viele Menschen in unserem
Stadtbezirk bei einer angenommenen Ausbringung des
Bundesdurchschnitts von knapp 2 KG je Gleiskilometer und Jahr durch
eine gefährliche Dosis Glyphosat potenziell gefährdet sein könnten.
Folglich ist nach dem europaweit geltenden Vorsorgeprinzip große
Vorsicht geboten.
Vor
diesem Hintergrund frage ich die Verwaltung:
1.
Wie lang ist das Schienennetz der Deutschen Bahn AG im Stadtbezirk
Ricklingen?
2.
Welche Mengen glyphosathaltiger Herbizid-Lösungen wurden durch die
Deutsche Bahn AG bzw. in deren Auftrag auf der Gesamtstrecke oder auf
Teilstrecken innerhalb des Stadtbezirks Ricklingen in den letzten
fünf Jahren ausgebracht?
3.
Gibt es Untersuchungen, inwieweit Glyphosat während der Ausbringung
z.B. durch Luftzirkulation in das hannoversche Naherholungsgebiet
getragen wird und/oder über das Grundwasser in die Badeteiche
gelangt und wie hoch ggf. die jeweiligen Konzentrationen sind bzw.
davon ggf. eine Gefährdung ausgeht? Wenn Nein: Sind Untersuchungen
dazu geplant oder bereits in Auftrag gegeben?
Antwort
der Verwaltung
Die Beantwortung der Fragen kann nicht abschließend durch die Landeshauptstadt Hannover erfolgen. Die Anfrage ist an die Deutsche Bahn und die Region Hannover weitergeleitet worden. Die Antworten werden schriftlich nachgereicht.
Die Beantwortung der Fragen kann nicht abschließend durch die Landeshauptstadt Hannover erfolgen. Die Anfrage ist an die Deutsche Bahn und die Region Hannover weitergeleitet worden. Die Antworten werden schriftlich nachgereicht.
Antwort
der Deutschen Bahn AG zu den Fragen 1 und 2:
Die
ortsspezifische Fragestellung wird zuerst in einen größeren
Zusammenhang eingeordnet.
Die
Freihaltung des Gleisbereichs von Vegetation ist für alle
Schieneninfrastrukturbetreiber von hoher Bedeutung, um die auf die
hohen Belastungen ausgerichteten Eigenschaften des Oberbaus zu
erhalten und die Betriebs- und Arbeitssicherheit zu gewährleisten.
Die
Deutsche Bahn AG ist im Rahmen der chemischen Vegetationskontrolle
ein Anwender von Herbiziden. Die Entwicklung von
Pflanzenschutzmittelprodukten, zu denen auch Herbizide gehören, wird
von der chemischen Industrie betrieben. Die Zulassung erfolgt durch
das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
(BVL). Dieses bindet das Bundesamt für Risikobewertung (BfR), das
Umweltbundesamt (UBA) sowie das Julius Kühn-Institut (JKI) als
Fachbehörden in die Entscheidungsfindung ein. Mit der Zulassung
werden Anwendungsbestimmungen für die jeweiligen Produkte
festgelegt, die bei der Ausbringung zu befolgen sind.
Aufbauend
auf der allgemeinen Zulassung des BVL muss die DB die konkreten
Einzelanwendungen streckenbezogen vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA)
genehmigen lassen. Das EBA wiederum bezieht in seine
Entscheidungsfindung die zuständigen Landesbehörden ein, die ggf.
über die Zulassung hinausgehende Auflagen erteilen können.
In
der Vergangenheit hat die DB thermische (Heißdampf und Infrarot) und
mechanische (Saugrechen) Verfahren getestet. Diese Alternativen
wurden auf Grund des hohen Energieverbrauches, der nicht-selektiven
Wirkung auf alle Organismen (z.B. auch Eidechsen) und der sehr
langsamen Arbeitsgeschwindigkeit, und der damit verbundenen Sperrung
von Gleisen, als nicht umsetzbar bewertet. Eine Evaluation der
bestehenden Alternativen durch die UIC (Weltverband der Eisenbahnen)
ergab, dass sich die Technik seither nicht nennenswert
weiterentwickelt hat.
Daher
suchen die europäischen Bahnen nach neuen Methoden. Über die
Ergebnisse tauschen sich die Bahnen aus. Es gibt Forschungen zu
Abdeckverfahren, UV-Technik und elektrischen Unkrautbekämpfung.
Die
Umsetzbarkeit zur Vermeidung chemischer Substanzen zur
Unkrautbekämpfung hängt von den weiteren Entwicklungen alternativer
Verfahren ab. Die ökologischen Auswirkungen thermischer Verfahren
auf alle Lebewesen im Schotterbett, sowie der hohe energetische
Aufwand oder die Substitution von schädlichen Substanzen durch
organische Säuren, müssen dabei ebenso bewertet werden wie die
betrieblichen Anforderungen an die Arbeitsgeschwindigkeit.
Wir
sehen daher das Risiko, dass ein überstürztes Glyphosatverbot zur
Substitution durch Substanzen führt, die nicht zweifelsfrei
umweltfreundlicher sind.
Die
Gleisanlagen der Deutschen Bahn AG stellen einen wertvollen
Lebensraum für Reptilien, insbesondere Eidechsen dar, weil dieser
Bereich von Vegetation freigehalten wird. Während die Tiere die
mechanisch gepflegten Böschungsbereiche als Schutz aufsuchen, werden
die offenen Gleisschotter als Sonnen- und Jagdhabitate genutzt.
Dieses Verhalten der Tiere führt dazu, dass wir bei zahlreichen
Oberbauerneuerungen umfangreiche artenschutzrechtliche
Schutzmaßnahmen durchführen.
Im
Jahr 2016 wurden dafür auf den 61.000 km langen Gleisen der
Deutschen Bahn AG auf 56.289 km insgesamt 67.647 l Glyphosat
eingesetzt. Dies entspricht ca. 0,15 Prozent der in Deutschland
ausgebrachten Herbizidmengen. In 2017 wurden auf 56.019 km
Gleisanlagen insgesamt 65.398 l Glyphosat eingesetzt.
Nach
dieser allgemeinen Einführung folgt die ortsspezifische Antwort. Für
die Bahnstrecken rund um den Stadtbezirk Ricklingen sind folgende
Zuordnungen zu treffen:
Zu
Frage 1:
Im
Stadtbezirk Ricklingen gibt es eine Gleislänge von ca. 10 km
Zu
Frage 2:
Der
Gleisrost selber war während der Behandlung der genannten Strecken
sehr sauber, so dass eine durchgehende Behandlung nur auf den
sogenannten "Randwegen" erfolgte. Diese Information ist von
Bedeutung, da die glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittel
Blattherbizide sind und nur auf vorhandenen Pflanzen ausgebracht
werden und somit also keine flächendeckende Ausbringung der Mittel
erfolgt.
Die
glyphosathaltigen Produkte werden von unseren Spritzzügen im
Gleisrost über Sensoren nur auf vorhandenen Pflanzen ausgebracht, im
Bereich der Schotterflanke und des Randweges übernehmen diese
Funktion die Mitarbeiter*innen auf den Spritzzügen. Dies wird sich
mittelfristig ändern, da eine videogesteuerte Technik zum Einsatz
kommen wird.
Es
wurden ca. 18,2 Liter glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel auf den
Strecken im Jahr 2017 ausgebracht. Der Anteil des Wirkstoffs an
Pflanzenschutzmittel beträgt 36%, so dass im Stadtbezirk im letzten
Jahr ca. 6,6 I Glyphosat verwendet worden sind.
Bezügliche
der Frage nach den Mengen glyphosathaltiger Herbizid-Lösungen der
letzten fünf Jahre muss mitgeteilt werden, dass eine detaillierte
jahresbezogene Mengenermittlung sehr aufwendig ist und wie erfragt
nicht geleistet werden kann. Allerdings konnte überschlägig
ermittelt werden,dass in den letzten fünf Jahren die Gesamtmengen im
Vergleich zu 2017 um nicht mehr als +/-20% schwanken.
Antwort
der LHH zu Frage 3:
Es gibt seitens der Stadtverwaltung keine Untersuchungen darüber,
inwieweit Glyphosat durch bzw. während der Ausbringung auf
Gleisanlagen in das Naherholungsgebiet der Ricklinger Teiche oder in
das Grundwasser eingetragen wird. Die Stadt betreibt seit 2003 ein
qualitatives Grundwassermonitoring. In dem aus 73 über das
Stadtgebiet verteilten Grundwassermessstellen (GWM) bestehenden
sogenannten Grundmessnetz wird die „Hintergrundbelastung“ des
Grundwassers in Hannover erfasst, also die durch die natürlichen
Standortgegebenheiten sowie diffuse Stoffeinträge beeinflusste
Qualität. Die Überwachung von Grundwasserschäden oder
möglicherweise grundwassergefährdenden Nutzungen obliegt der Region
Hannover als zuständiger Behörde.
Im
Rahmen des Grundwassermonitorings wurde bisher dreimal (2003, 2007,
2011) auch auf Glyphosat und dessen Abbauprodukt
Aminomethylphosphonsäure (AMPA) untersucht. In seltenen Fällen
wurde Glyphosat nachgewiesen. Meistens wurde bei Positivbefunden das
Abbauprodukt AMPA angetroffen, das allerdings auch beim Abbau anderer
Substanzen entsteht und deshalb nicht sicher auf einen ursprünglichen
Eintrag von - 4 - Glyphosat zurückgeführt werden kann. Insgesamt
lässt sich feststellen, dass Befunde von Pflanzenschutzmitteln
unsystematisch über das Stadtgebiet verteilt sind, es lassen sich
daraus keine Rückschlüsse auf deren konkrete Eintragsorte ableiten.
Im Bereich der Ricklinger Kiesteiche befindet sich eine GWM aus dem
Grundmessnetz. Der Gehalt an Glyphosat lag in dieser GWM jeweils
unterhalb der Bestimmungsgrenze. AMPA konnte einmal (in 2007) in
einer Konzentration von 0,23 µg/l nachgewiesen werden.
Antwort
Region zu Frage 3:
Ergänzung zu den Ausführungen des FB Umwelt und Stadtgrün: Die vom
FB Umwelt und Stadtgrün dargelegten Feststellungen im Rahmen des
städtischen Grundwassermonitoring ergaben – wenn überhaupt –
nur Nachweise im Spurenbereich ( Mikrogramm). Wie vom Anfragenden in
seiner Vorbemerkung selbst dargestellt liegen die gesundheitlich
begründeten Beurteilungswerte der EFSA um mehrere Größenordnungen
darüber (Milligramm). Für die EU-Badegewässer sieht der FB
Gesundheit als Überwachungsbehörde für die Badestellen somit
keinen Anhalt für eine mögliche Gesundheitsgefährdung und
entsprechend keinen Anlass für weitergehende Untersuchungen.
18.63.09.BRB
/ 67 / Region Hannover /
Deutsche
Bahn AG
Hannover
/ 29.01.2018
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