Landeshauptstadt
Hannover
Antwort
15-2280/2017 F1
An
den Stadtbezirksrat Ricklingen (zur Kenntnis)
Zu
Top 6.3.1.
Antwort
der Verwaltung auf die
Anfrage
Stick(stoffdi)oxid-Belastung im Stadtbezirk Ricklingen
Sitzung
des Stadtbezirksrates Ricklingen am 21.09.2017
TOP
6.3.1.
In
der Europäischen Union gelten für NOx Grenzwerte, deren
Nichteinhaltung Bußgelder von bis zu 10.000 Euro pro Tag nach sich
ziehen können. Die Hannoverschen Allgemeinen Zeitung berichtete am
2. März 2017 *, der bis dato bestehende Luftreinhalte- bzw.
Luftqualitätsplan habe die NOx-Werte nicht unter die geforderte
EU-Obergrenze drücken können. Deshalb erarbeite das Umweltamt der
Landeshauptstadt noch im Frühjahr 2017 einen neuen
Luftreinehalteplan. Außerdem wird in dem HAZ-Artikel über
„Passivsammler“ zur Messung des Stickstoffdioxidgehaltes u.a. in
der Friedrich-Ebert-Straße und in der Bornumer Straße berichtet.
Bis heute scheint der angekündigte neue Luftreinhalteplan nicht
finalisiert bzw. ist zumindest nicht öffentlich einsehbar. Laut
verschiedener Presseartikel sollen deswegen in Hannover bereits
Klagen in Vorbereitung sein, in deren Folge höchstwahrscheinlich
Fahrverbote für Dieselkraftfahrzeuge unumgänglich wären.
Vor
diesem Hintergrund frage ich die Verwaltung:
1. Wer trüge die Haftung, wenn
aufgrund überlanger Bearbeitungsdauer bei der Erstellung eines neuen
Luftreinhalteplanes Buß- oder Strafgelder verhängt würden?
2. Ist der angekündigte neue
Luftreinhalteplan bereits fertiggestellt bzw. wann wird dies der Fall
sein, wo ist er einsehbar bzw. wird er einsehbar sein und was
unternimmt die Verwaltung zusätzlich zum bestehenden
Luftreinhalteplan, um Schaden von den Bürgern des besonders stark
belasteten Stadtbezirks Ricklingen abzuwenden und ggf. drohenden
gerichtlichen Fahrverboten entgegen zu wirken?
3. Wo sind die Passivsammler in der
Friedrich-Ebert-Straße und in der Bornumer Straße platziert, wo
können die Messwerte eingesehen werden und an wie vielen Tagen sind
die EU-Grenzwerte für NOx in den vergangenen 12 Monaten (Zeitraum:
1. September 2016 bis 31. August 2017) überschritten worden?
Antwort
der Verwaltung
Zu Frage 1: Im Zusammenhang mit der
Fragebegründung wird die Anfrage zu 1. dahin verstanden, wer im
Falle einer vom Europäischen Gerichtshof wegen Nichteinhaltung der
EU-Vorgaben zu den Stickoxid-Grenzwerten (vgl. Richtlinie 2008/50/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über
Luftqualität und saubere Luft für Europa) verhängten Sanktionen
(Zwangsgeld bzw. Pauschalbetrag) zu haften hätte.
Grundlage einer solchen Sanktion wäre
ein Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 258, 260 des Vertrages
über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der Europäischen
Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland.
Das Vertragsverletzungsverfahren ist
mehrstufig aufgebaut. Zunächst hat die Europäische Kommission ein
Vorverfahren durchzuführen, um den eigentlichen Streitgegenstand
festzulegen. Innerhalb des Vorverfahrens kann es noch zu einer
außergerichtlichen Einigung kommen. Die Kommission eröffnet das
Vorverfahren mit einem Mahnschreiben an den jeweiligen Mitgliedstaat.
In der Regel tauschen die Kommission und der Mitgliedstaat dann über
einen längeren Zeitraum verschiedene Schriftstücke aus. Gelangt die
Kommission zu dem Fazit, ein Staat komme seinen Verpflichtungen nach
dem Unionsrecht nicht nach, gibt sie eine begründete Stellungnahme
ab.
Neben einer Begründung, warum die
Kommission der Ansicht ist, der Mitgliedstaat verstoße gegen
Unionsrecht, enthält die begründete Stellungnahme eine förmliche
Aufforderung, innerhalb einer bestimmten Frist den Verstoß
abzustellen.
Kommt der Mitgliedsstaat diesem nicht
nach, kann die Kommission den Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit
dem Fall befassen.
Ca. 95 % der Fälle werden in der
Praxis allerdings geklärt, ohne dass der Gerichtshof mit dem Fall
befasst werden muss.
Der EuGH prüft die vorgetragenen
Tatsachen der Kommission und stellt fest, ob sich aus den von der
Kommission vorgetragenen Tatsachen ein Verstoß gegen das Recht der
Europäischen Union ergibt, sowie ob der Mitgliedstaat innerhalb der
Frist eine Übereinstimmung mit dem Unionsrecht hergestellt hat. Die
EU-Kommission kann den Gerichtshof ersuchen, bereits in einem ersten
Urteil Sanktionen gegen den Mitgliedstaat zu verhängen.
Kommt ein Mitgliedstaat dem Urteil des
EuGH nicht nach, kann die Kommission ein weiteres
Vertragsverletzungsverfahren einleiten, in dem der Gerichtshof sodann
Sanktionen verhängen kann. Vor der Befassung des EuGH ergeht bei
einem zweiten Vertragsverletzungsverfahren nur ein Mahnschreiben. Die
Sanktionen werden von der EU-Kommission vorgeschlagen. Der EuGH ist
bei einer zweiten Verurteilung an den Vorschlag nach oben nicht
gebunden.
Laut der Europäischen Kommission
werden in der gesamten Europäischen Union in mehr als 130 Städten
sowie in 23 von 28 Mitgliedstaaten die rechtlichen Vorgaben für die
Luftqualität noch nicht eingehalten. Es wurden bereits
Vertragsverletzungsverfahren gegen mehrere Mitgliedsstaaten der
Europäischen Union eingeleitet. Im Februar 2017 teilte die
Kommission mit, ein letztes Mahnschreiben an Deutschland, Frankreich,
Spanien und das Vereinigte Königreich gerichtet zu haben. Zu den 28
von der Kommission gelisteten Luftqualitätsgebieten in Deutschland,
in denen anhaltend gegen die NO2 -Belastung verstoßen wird, gehört
die Landeshauptstadt Hannover aktuell nicht.
Für eine vom EuGH verhängte Sanktion
müsste der Bund, der für die Bundesrepublik Deutschland allein
außenvertretungsberechtigt ist. Ein Regress des Bundes bei der
Landeshauptstadt Hannover bzw. bei den im Bundesgebiet betroffenen
Kommunen ist rechtlich nicht möglich.
Denkbar wäre, dass der Bund versuchen
könnte, die betroffenen Bundesländer in Anspruch zu nehmen. Für
den Regress eines in Anspruch genommenen Bundeslandes gegenüber
einer Kommune fehlt es in Niedersachsen an dem erforderlichen
Landesgesetz.
Zu Frage 2:
Eine Version der Fortschreibung des Luftqualitätsplans ist bereits
fertiggestellt - 3 - und wird mit dem niedersächsischen
Umweltministerium abgestimmt. Im Rahmen der Fortschreibung des
Luftqualitätsplans werden sowohl die bereits laufenden Maßnahmen
beschrieben, als auch alle neuen denkbaren Maßnahmen diskutiert und
anhand der Umsetzbarkeit und Wirksamkeit zur Minderung der NO2
-Minderung in den Hauptverkehrsstraßen bewertet.
In der Sitzung des Ausschuss für
Umweltschutz und Grünflächen (AUG) am 16.10.2017 wird die
Verwaltung über die geplanten und bereits in Umsetzung befindlichen
Maßnahmen berichten.
Zu Frage 3: Die
NO2 -Passivsammler sind an Laternenmasten angebracht worden und
befinden sich in der Friedrich-Ebert-Straße etwa in Höhe der
Hausnummer 56 auf der westlichen Straßenseite und in der Bornumer
Straße in Höhe der Hausnummer 8 auf der nördlichen Straßenseite.
Die Messwerte können auf der Webseite
des Niedersächsischen Umweltministeriums eingesehen werden
(www.mu.niedersachsen.de). Sie sind in den Jahresberichten des
Lufthygienischen Überwachungssystems Niedersachsen (LÜN)
veröffentlicht. 2016 lagen die mit den Passivsammlern ermittelten
NO2 -Jahresmittelwerte bei 55 mcg/m³ in der Friedrich-Ebert-Straße
und 50 mcg/m³ in der Bornumer Straße.
Für NO2 wurde von der EU kein
Tagesmittelgrenzwert festgelegt. Daher kann keine Anzahl von
Überschreitungstagen für den angefragten Zeitraum genannt werden.
Dagegen wurde ein Grenzwert für das
Stundenmittel festgelegt. Dieser Grenzwert beträgt 200 mcg/m³ und
darf nur 18 Mal pro Jahr überschritten werden.
Seit 2008 ist der Wert von 200 mcg/m³
zu keiner Stunde überschritten worden.
18.63.09.BRB
Hannover / 20.09.2017
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