Sonntag, 8. Juli 2018

Ergebnis der volkswirtschaftlichen Bewertung der Stadtbahnerschließung Wasserstadt Limmer / Ahlem Nord

   
    Verkehrsausschuss    Kenntnisnahme      
    07.06.2018         Sitzung des Verkehrsausschusses                        

Ausgangslage
Auf dem ehemaligen Betriebsgelände der Continental AG in Limmer wird ein neues Wohngebiet, die Wasserstadt Limmer („Wasserstadt“), entwickelt. Die zukünftig dort wohnende Bevölkerung wird auf 2800-3400 geschätzt.  Um die dadurch erwartete Nachfrage an Mobilität angemessen mit einem ÖPNV-Angebot zu bedienen, war die Region Hannover aufgefordert, zu untersuchen, ob für eine Stadtbahnanbindung eine wirtschaftliche Variante entwickelt werden kann.             


Ergebnis
Für die Stadtbahnerschließung der Wasserstadt Limmer / von Ahlem Nord konnte unter den 2016 vorgegebenen Erwartungen für das Jahr 2030 keine Variante entwickelt werden, die in der bundesweit einheitlichen, volkswirtschaftlichen Bewertung ein positives Ergebnis erzielt. Die zu erwartenden Fahrgastgewinne liegen weit unter denen vergleichbarer Maßnahmen.

Untersuchung
Grundlage
Infrastrukturmaßnahmen bei der Stadtbahn können wegen der Höhe der Kosten nur umgesetzt werden, wenn Finanzhilfen des Bundes und des Landes nach dem Entflechtungsmittelgesetz  in Höhe von ca. 75% der zuwendungsfähigen Kosten bewilligt werden. Grundvoraussetzung zur Förderung ist der Nachweis der volkswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit des Projektes, was in Form einer Standardisierten Bewertung darzulegen ist. Eine Förderung ist nur dann möglich, wenn die mit der Maßnahme verbundenen Nutzen deren Kosten übersteigen (Nutzen-Kosten-Verhältnis größer als 1,0).
Verfahren

Dazu hat die PTV Transport Consult GmbH im Auftrag der Region Hannover in den Jahren 2016 und 2017 verschiedene (insgesamt 10) Varianten untersucht und nach den Regeln der Standardisierten Bewertung für Verkehrswegeinvestitionen Version 2006 („Standardisierte Bewertung“) überprüft. Als Nutzen werden der volkswirtschaftliche Nutzen abzüglich der zusätzlichen Betriebskosten, als  Kosten die Infrastrukturkosten für den zusätzlichen Fahrweg inklusive der daran zu errichtenden Haltestellen gewertet.

Problematik
Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass Stadtbahnmaßnahmen immer dann volkswirtschaftlich positiv bewertet wurden, wenn bei einer Streckenverlängerung kein bzw. nur eine geringe Anzahl zusätzlicher Züge eingesetzt werden muss. Streckenabzweige führen dagegen entweder wegen der Einführung einer zusätzlichen Linie zu erheblichen Mehrkosten oder mindern bei der Aufsplittung des bestehenden Angebotes ab dem Verzweigungspunkt die Attraktivität auf der Stammstrecke. Im vorliegenden Fall ist das deshalb gravierend, da das Zielgebiet Wasserstadt Limmer mit prognostizierten 2.800 bis 3.400 Einwohnern deutlich weniger Bevölkerung haben wird als das Gebiet in Ahlem Mitte im Einzugsbereich der heutigen Linie 10 mit ca. 5.800 Einwohnern.

Die Reisezeit der Fahrgäste nimmt entscheidend Einfluss auf das Bewertungsergebnis der Standardisierten Bewertung. Eine Stadtbahnbindung kann in der Regel  dann ein positives Ergebnis erzielen, wenn sie gegenüber einer Busbedienung schnellere Verbindungen ermöglicht. Im Vergleich zu der direkten Linienführung der häufig verkehrenden Linie 700 sind die  Fahrzeiten zwischen Ahlem Nord bzw. der Wasserstadt und dem Hauptbahnhof mit der Stadtbahn  dagegen geringfügig länger.   
Darstellung der Lösungsansätze anhand einzelner  Varianten einer  ÖPNV-Erschließung
Zusammengefasst wurden folgende prinzipielle Lösungsansätze untersucht (die Ergebnisse dazu befinden sich im Anhang):
-          Ahlem Nord:
Stadtbahnerschließung möglichst vieler Fahrgäste
-          Wasserstadt Süd:
minimale Kosten durch eine Stichstrecke der Stadtbahn
-          Wunstorfer Straße:
Vermeidung einer abzweigenden Strecke
-          Wasserstadt Mitte:
optimale Erschließung der Wasserstadt mit der Stadtbahn
-          Erschließung mit Bus:
Bedienung der erwarteten Nachfrage ohne Stadtbahn (Referenzfall)

Ausblick
Wesentliche Gründe für den geringen Nutzen sind die für die ÖV-Erschließung ungünstige Lage der Wasserstadt sowie das im Vergleich zur Stadtbahn relativ gute Angebot mit dem Bus. Die mit den Verkehrsunternehmen abgestimmten Fahrzeiten sind bei der Stadtbahn teilweise länger als bei der Buslinie 700.
Die D-Strecke erfährt momentan mit dem „Projekt 10/17“ vielfältige Umbaumaßnahmen. Darüber hinaus vollzieht die Landeshauptstadt Hannover derzeit eine dynamische, positive Bevölkerungsentwicklung. Dadurch werden auch Nachfrage und Angebote im ÖPNV-Netz Veränderungen unterliegen. Somit kann in einigen Jahren aufgrund veränderter Rahmenbedingungen eine erneute Prüfung sinnvoll sein. Deshalb sollte die Trasse für eine Stadtbahn zur Wasserstadt und darüber hinaus bis Ahlem Nord weiter offen gehalten werden.

Darstellung und Bewertung der Varianten
Die Einzugsbereiche von Stadtbahn und Bus unterscheiden sich auf Grund der Attraktivität des jeweiligen Verkehrsmittels. Bei der Stadtbahn beträgt der Einzugsradius 500m, beim Bus 300m.

Ahlem Nord
Um  möglichst viele Fahrgäste für die Stadtbahn zu gewinnen, wird eine neue Linie (Projektname 12) von  Ahlem Nord bis zum Hauptbahnhof geführt. Diese verkehrt auf dem gemeinsamen Streckenabschnitt vertaktet mit der Linie 10. Beide Linien verkehren im Zehnminutentakt, so dass sich die Bedienungshäufigkeit in Ahlem-Mitte gegenüber heute verringert. Die Baukosten der Strecke inkl. Haltestellen betragen ca. 20,75 Mio.€ (Stand 2016). Die durch das Fahrgastpotenzial in Ahlem Nord erzielten Fahrgastgewinne reichen nicht aus, um die erhöhten Betriebs- und Kapitalkosten sowie den Fahrgastrückgang in Ahlem Mitte auszugleichen.      

Wasserstadt Süd
Um die Kosten zu minimieren, wird die geplante Linie 12 auf einer kurzen Stichstrecke lediglich bis zu einem Endpunkt WasserstadtSüd geführt. Die Baukosten der Strecke inkl. Haltestellen betragen ca. 3,5 Mio.€ (Stand 2016). Fahrgastgewinne entstehen bei dieser Variante überwiegend durch das erhöhte Stadtbahnangebot auf der gemeinsamen Strecke der Linien 10 und 12 in Limmer und Linden Nord. Weil die Stadtbahn die Wasserstadt nicht optimal erschließt, entsteht hier auch kein ausreichender Nutzen, der die Kosten ausgleicht.       

Wunstorfer Straße
Um die zusätzlichen Kosten durch Einführung einer neuen Stadtbahnlinie zu vermeiden, wird in dieser Variante die Linie 10 über Wasserstadt Süd in die Wunstorfer Straße verlegt. Die Haltestelle Brunnenstraße wird aufgeben und durch eine neue Haltestelle im Verlauf der Wunstorfer Straße ersetzt. Start- und Endpunkt sowie die Bedienungshäufigkeit der Linie 10 bleiben gegenüber heute unverändert.  Die Baukosten der Strecke inkl. Haltestellen betragen ca. 14,5 Mio.€ (Stand 2016). Die Nachteile für die Fahrgäste aus Ahlem Mitte überwiegen die Vorteile für diejenigen in Limmer geringfügig. Die zu erwartenden Einsparungen der Busbetriebskosten reichen nicht, um die Kapitalkosten für den Stadtbahnausbau auszugleichen.

Wasserstadt Mitte
Um die Wasserstadt Limmer mit der Stadtbahn optimal zu erschließen, wird die geplante Linie 12 in dieser Variante über die Haltestelle Wasserstadt Süd hinaus bis zu einem Endpunkt zentral im Siedlungsgebiet Wasserstadt Mitte geführt. Die Baukosten der Strecke inkl. Haltestellen betragen ca. 6,25 Mio.€ (Stand 2016). Dieser Lösungsansatz zeigt, was notwendig wäre, um mit der Stadtbahn eine dem Bus vergleichbare Nähe des ÖPNV-Angebotes für die Wasserstadt bereit zu stellen. Die Nachteile für die Fahrgäste aus Ahlem Mitte und die Betriebskosten für eine neue Stadtbahnlinie führen allerdings auch bei diesem Lösungsansatz zu einer negativen Bewertung. Darüber hinaus widerspricht dieser Lösungsansatz den bisherigen Planungen für die Gestaltung der Wasserstadt Limmer. Auch eine Weiterführung der Stadtbahn nach Ahlem Nord ist in dieser Variante nicht möglich.

Referenzfall Bus
Der Vergleichsfall in der Bewertung für die Stadtbahnvarianten ist prinzipiell das heutige Bedienungsangebot, welches durch einen Erschließungsbus aus Wasserstadt Mitte ergänzt wird. Der Bus kann weit in den Bauabschnitt 4 der Wasserstadt fahren und über die Wunstorfer Straße parallel zur Linie 700 bis zum Hauptbahnhof geführt werden. Die Baukosten für eine Haltestelle betragen ca. 35 Tsd.€ (Stand 2016). Durch die direkte Linienführung in Limmer werden kürzere Fahrzeiten als bei einer Stadtbahnanbindung erwartet.

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